Schulsternwarte und Volkssternwarte Crimmitschau

Interessengemeinschaft Astronomie Crimmitschau e. V.

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Digitale Sternzeituhr

von Andreas Kühne, 13.10.2013
Seit vielen Jahren ist die mechanische Sternzeituhr defekt. Jetzt ist es uns gelungen, die Sternzeit elektronisch zu generieren. Von der Idee über die Entwicklung und den Bau bis zur Inbetriebnahme ist mehr als ein Jahr vergangen.

Sternzeit - Wie sie entsteht, wozu man sie braucht, wie man eine Sternzeituhr bauen kann.

Die technische und naturwissenschaftliche Entwicklung hat viele Zeitformen hervorgebracht. Eine davon ist die Sternzeit. Sie ist der Allgemeinheit relativ wenig bekannt. Für die Astronomie ist sie von grundlegender Bedeutung, zeigt sie uns doch, wie im Augenblick die Sterne stehen. Neben der Sonnenzeit ist die Sternzeit eine ortsgebundene, natürliche Zeit.

Die Entstehung der Sternzeit

Die Sternzeit entsteht durch die Drehung der Erde. Dabei scheinen sich die Gestirne an der scheinbaren Himmelskugel um den Beobachter zu drehen. Der Sterntag wird, wie der Sonnentag, in genau 24 Stunden eingeteilt. Er beginnt, wenn der Frühlingspunkt den Meridian am Beobachtungsort passiert und endet auch dort bei der nächsten Passage. Damit ist auch die Sternzeit ortsgebunden.

  • Meridian: Der Meridian ist der Verbindungsbogen vom Südpunkt über den Zenit zum Nordpunkt des Horizontes.
  • Frühlingspunkt: Der Frühlingspunkt ist der Schnittpunkt zwischen Ekliptik (Bahn der Sonne) und Himmelsäquator an der scheinbaren Himmelskugel.

Der Frühlingspunkt ist als Koordinatenursprung mit Rektaszension 0h 00min festgelegt. Die Himmelskugel kann man auch als große Sternzeituhr verstehen. Gegenüber einer "normalen" Uhr steht jedoch der Zeiger (der Meridian) fest und das Ziffernblatt (die Himmelskugel) scheint sich zu drehen.

Die Nutzung der Sternzeit

Da die Erde sich ständig dreht, reicht es nicht aus, zu wissen an welchem Ort man sich befindet um einen Stern mit einem Teleskop am Nachthimmel zu finden. Wo die Sterne gerade stehen ist von der Sternzeit abhängig.

Alle uns bekannten Sterne und Galaxien haben Koordinaten. Auf der Erde findet man Orte mit der Angabe von Längen- und Breitengrad. An der Himmelskugel nennt man die Längengrade Rektaszension und die Breitengrade Deklination. Somit haben die Himmelsobjekte außerhalb unseres Sonnensystems Koordinaten. Bild 2 zeigt den Stern Altair mit seinen Koordinaten 19 h 50 m, +8° 52'. Als aktuelle Sternzeit können wir 22 h 00 m ablesen. In dem man die Koordinaten des Beobachtungsobjektes mit der Sternzeit verknüpft, kann man die Koordinaten bestimmen, an dem sich ein Beobachtungsobjekt im Augenblick gerade aufhält, um das Teleskop darauf exakt auszurichten.

Sternzeit - Rektaszension = Lage des Beobachtungsobjektes

Einstellung eines parallaktisch montierten Teleskopes:

  • Ausrichtung der Polachse des Teleskopes auf den Polarstern (damit automatisch auch auf den Meridian).
  • Schwenken des Teleskops auf den Südmeridian
  • Einstellung der Rektaszension des Beobachtungsobjektes auf der Teilkreisscheibe (Altair 19 h 50 m)
  • Schwenken des Teleskopes, bis die Sternzeit 22 h 0 m in der Markierung der Teilkreisscheibe (Meridian) erscheint
  • Einstellen der Deklination +8° 52'

Der Unterschied zwischen Sonnen- und Sterntag

Die Sonne läuft auf ihrer Bahn scheinbar um die Erde, auch die Sterne tun das. Ist das nicht das Gleiche? Nein.

Während die Erde sich exakt einmal um sich selbst dreht (360°), bewegt sie sich auch auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne weiter. Schaut ein Beobachter mittags um 12:00 Uhr nach Süden auf die Sonne und blickt am nächsten Tag nach genau einer Erdumdrehung (360°) in die gleiche Richtung, so schaut er an der Sonne vorbei. Damit er beim Blick in die gleiche Richtung die Sonne sieht, muss sich die Erde etwas weiter drehen. Die Länge des Sternentages bestimmt sich aus der Erdrotation in Bezug auf die Sterne. Die Länge eines Sonnentages bestimmt sich auch aus der Erdrotation aber in Bezug auf die Sonne. Dieser Zusammenhang ist verantwortlich dafür, dass wir im Sommer andere Sterne am Nachthimmel sehen als im Winter.

Die Dauer eines Sterntages

Um die Länge eines Sterntages zu ermitteln bedarf es nur einer einfachen Mathematik und etwas Logik. Die Länge eines Sonnentages beträgt:

$$t=24h \cdot 3600s = 86400 s$$

Bogenwinkel auf der Erdumlaufbahn:

$$\alpha = {360° \over 365,24219} = 0,985647$$

Mit der Beziehung:

$${86400s \over 360,9856474°} = {Sterntag \over 360°}$$

ergibt sich die Dauer des Sterntages mit:

$$Sterntag = 86.164,09053s$$

gemessen in der Sonnenzeit. Damit beträgt die Zeitdifferenz zwischen Sonnenzeit und Sternzeit pro Tag:

$$\Delta t = 235,90947s$$

Da der Sterntag kürzer als der Sonnentag ist, eilt die Sternzeit voraus!

Blockschema der Sternzeituhr

Im Bild 4 ist der schematische Aufbau der Sternzeituhr dargestellt. Basis der Generierung der Sternzeit ist ein bereits vorhandenes Funkuhrmodul DCF 77. Mit dem Sekundentakt dieses Funkuhrmoduls werden bereits die Uhren für Weltzeit, Mitteleuropäische Zeit und Mittlere Ortszeit angesteuert. Alle drei Zeiten basieren auf der "Sonnenzeit".

Aus dem Funkuhrmodul wird für die Sternzeituhr ebenfalls nur der Sekundentakt ausgekoppelt. Er wird hochgenau aus der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig zur Verfügung gestellt. Dieser Sekundentakt läuft über eine Torschaltung in eine digitale Uhr. Ausgehend von der Feststellung, dass die Sternzeit der Sonnenzeit vorauseilt, werden in regelmäßigen Abständen Schaltsekunden generiert. Diese werden über die Torschaltung zur Zählung eingefügt.

Die Entwicklung der Sternzeituhrenelektronik

Mit der Entwicklung der Uhrenelektronik waren zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen:

  • Verwendung eines hochgenauen Zeitnormals
  • Erzeugung einer möglichst hohen Ganggenauigkeit
  • Realisierung der Sternzeituhr in fest verdrahteter Logik (kein Prozessor)
  • Anzeige der Sternzeit digital und analog
  • Einbeziehung der bestehenden Uhranlage
  • Bau einer Uhrenanlage als Ganzes (alles in einem Gehäuse, alles über ein Netzteil)
  • Verwendung eines schutzisolierten Schaltnetzteiles

Da Sonnenzeit und Sternzeit nicht im ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen und keine Gleitkommaarithmetik eingesetzt werden sollte (Prozessor), ergibt sich zwangsläufig ein Gangfehler. Der Fehler beläuft sich derzeit auf ca. + 0,157 s pro Tag. Im Jahr 2014 werden wir eine zusätzliche Gangkorrektur integrieren und den Fehler der Uhr auf kleiner 1 Sekunde in 100 Jahren reduzieren (ausgehend von der Länge des tropischen Jahres 365,24219 Tage). Weiterhin wollen wir mittelfristig eine unterbrechungsfreie Stromversorgung installieren.

Die Uhrenanlage präsentiert sich

Die Baugruppe oben links enthält das DCF 77 - Funkuhrmodul und die bereits vorhandene Elektronik. Darunter befinden sich die Komponenten der Sternzeituhr und das Netzteil. Alle Komponenten wurden in ein altes Pendeluhrengehäuse eingebaut. Das war nicht nur zweckmäßig günstig vorhanden, sondern bietet vor allem die Möglichkeit in das Innere zu schauen. Hier können auch die digitalen Zeiten abgelesen werden.

Und wenn auch Sie an dem Thema Gefallen gefunden haben und neugierig geworden sind, so schauen Sie mal rein, in die Sternwarte und die Uhr.

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Der Frühlingspunkt ist als Koordinatenursprung mit Rektazension 0 h 00 min festgelegt.
Autor: Andreas Kühne
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Stern Atair mit seinen Koordinaten 19 h 50 m, +8° 52'. Als aktuelle Sternzeit können wir 22 h 00 m ablesen.
Autor: Andreas Kühne
sz03
Während die Erde sich exakt einmal um sich selbst dreht (360°), bewegt sie sich auch auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne weiter.
Autor: Andreas Kühne
sz04
schematischer Aufbau der Sternzeituhr
Autor: Andreas Kühne
sz05
Eine Übersicht über die Komplexität der elektronischen Schaltung.
Autor: Andreas Kühne
sz06
Elektronik der Uhrenanlage
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Uhren im Foyer der Sternwarte.
Autor: Andreas Kühne